Embedded Insurance: Kommt die Versicherung der Zukunft von Amazon?
Wir alle kennen Wachstumskurven. Beeindruckende Beispiele zeigen, wie enorm und rasant sich Produkte durchsetzen können – Instagram zum Beispiel verzeichnete Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich. So imposant ein rasendes Wachstum sein mag, viel spannender ist die Zeit davor, wenn etwas in den Kinderschuhen steckt, das schon bald die Welt erobern könnte. Genau diese Situation zeichnet sich am Versicherungsmarkt mit Embedded Insurance ab. Analystinnen und Analysten sehen Milliardengeschäfte und manche wittern bereits das Ende der traditionellen Versicherungsbranche. Zu Recht?
Embedded Insurance: 600 Prozent in sechs Jahren?
Embedded Insurance ist ein junges Konzept, zumindest was die Verbreitung anbelangt. Vor 2019 war es den meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern weitgehend unbekannt, auch wenn die Idee an sich fast 200 Jahre alt ist. Beispiel gefällig? Schon 1870 bot Singer eine Nähmaschinenversicherung passend zum eigenen Produkt an. Aus heutiger Sicht revolutionär innovativ. Einen größeren Markt eroberten sich „eingebettete Versicherungen“ jedoch erst ab etwa 2020. Dafür ist die Macht, mit der dieses Modell nun auf den Markt drängt, umso größer.
Einige Berechnungen gehen davon aus, dass sich der Umsatz von 2019 bis 2030 mehr als verzehnfachen wird. Von Stand 2024 sind es diesen Prognosen zufolge noch immer gut 600 Prozent Wachstumspotential bis 2030. Oder in anderen Zahlen: Mögliche Umsätze von drei bis fünf Billionen Euro weltweit werden vorhergesagt. Demzufolge müssten bis dahin deutlich mehr Produkte unmittelbar mit Versicherungsschutz vermarktet werden. Wie solche Angebote aussehen könnten, zeigt ein Blick auf erfolgreiche Use Cases, die schon heute hohe Umsätze erzielen.

4 Beispiele für Embedded Insurance aus ganz unterschiedlichen Branchen
1. Sach- und Haftpflichtversicherung bei Airbnb
Wo wir beim Thema Wachstum sind: Wohnungen privat an Feriengäste zu vermieten, boomt. Doch wie ist es eigentlich, wenn Mietende das Objekt beschädigen oder wenn sie durch das Objekt Schaden erleiden? Oder um es in den Worten der Versicherungswirtschaft auszudrücken: Wie verhält es sich mit der Sachversicherung und der Haftpflichtversicherung?
Es steht außer Frage, dass sich weder Vermietende noch Mietende in umständlicher Weise damit auseinandersetzen möchten. Das weiß auch Airbnb und hat vorgesorgt: Beide Versicherungen sind in AirCover enthalten. Ein Teil der Gebühren fließt automatisch in entsprechende Versicherungen, ohne dass dies extra zugebucht werden muss oder kann. Das sorgt für eine deutlich barrierenärmere Customer Journey und zeigt zugleich ein Beispiel von einer wirklich nahtlos eingebetteten Versicherung.
2. Erweiterte Garantien für Technik
Von der automatisch mitgebuchten Versicherung zu einem optionalen Modell, das es in dieser Form mittlerweile bei zahlreichen Händlern gibt, die zum Beispiel mit der WERTGARANTIE SE zusammenarbeiten. Worum geht es? Technische Geräte wie Smartphones oder Laptops haben häufig einen hohen Wert, zugleich decken die gesetzlich zugesicherten Fristen nur vergleichsweise kurze Zeiträume für Gewährleistungen an. Auch die zusätzlich gewährten Garantien der Hersteller sind eher überschaubar kurz. Kundinnen und Kunden wünschen sich jedoch längere Sicherheit.
Das haben diverse Händler erkannt und bieten die Möglichkeit, zusammen mit dem Gerät eine Versicherung abzuschließen. Bei diesem Beispiel ist die Versicherung nicht vollständig eingebettet wie bei Airbnb, es handelt sich gewissermaßen um eine Hybridform. Der entscheidende Unterschied zum klassischen Modell bleibt aber bestehen: Kundinnen und Kunden gehen nicht aktiv auf den Versicherer zu, etwa über einen Makler, sondern nutzen gleich beim Produktkauf die Option, eine Police abzuschließen. Dass diese als „erweiterte Garantie“ verkauft wird, tut sein Übriges, um eine klare Abgrenzung zum klassischen Versicherungstarif zu bewirken.
3. Zahnzusatzversicherung von Playbrush
Wie Embedded Insurance auch marketingtechnisch wirken kann, zeigt das Beispiel Playbrush. Es handelt sich dabei um einen Hersteller von elektrischen Zahnbürsten. Ergänzend zum Produkt gab es die Möglichkeit, eine Zahnzusatzversicherung abzuschließen, und zwar mit einer Besonderheit: Die Höhe der Prämien war variabel, abhängig von der Dauer und der Frequenz des Zähneputzens. Wer das Gerät regelmäßig nutzt, spart Geld.
4. Amazon: ein Pionier der Embedded Insurance
Vom Start-up zu einem Branchenriesen: Amazon. Die Möglichkeiten, hier Versicherungslösungen anzubieten, sind enorm. Ein konkretes Beispiel stammt aus dem Jahr 2009 und betrifft den B2B-Bereich. So bot Amazon Verkäufern an, für Verkäufe über die Plattform eine Versicherung für Paketschutz abzuschließen. Dieses Angebot richtete sich ganz konkret nur an Plattform-Nutzer, die dadurch einen exklusiven Vorteil erhielten.

Amazon und Co. als Versicherer der Zukunft?
Das Beispiel der Embedded Insurance bei Amazon führt zu einer neuen Frage: Wird der Versicherungsmarkt der Zukunft von eigentlich branchenfernen Großkonzernen dominiert? Gibt es in Segmenten wie Sachversicherung oder Kfz-Versicherung vielleicht bald nur noch Embedded-Insurance-Angebote?
Fakt ist: Kundinnen und Kunden, die online kaufen, wollen sicher nicht zum nächsten Versicherungsbüro laufen, um eine Police abzuschließen – das passt nicht zur nahtlos bequemen und personalisierten Customer Journey. Insofern wird der Markt für Embedded-Insurance-Produkte sicher weiter wachsen, die Prognosen sagen genau das vorher. Es ist also denkbar, dass insbesondere Versicherungen rund um Technik und digital vertriebene Produkte überwiegend beim Produktkauf abgeschlossen werden, ob bewusst als Option oder unbewusst als Bestandteil der Leistung.
Fakt ist aber auch, dass die Hersteller und Händler in den seltensten Fällen als Versicherer auftreten. Das wundert nicht, denn Finanzprodukte liegen weit außerhalb der Kernkompetenz von Technikshops, Reiseplattformen oder Produzenten. Stattdessen kooperieren die Verkäufer mit (traditionellen) Versicherern, um entsprechende Gesamtpakete zu schnüren. Dass selbst finanzstarke Großkonzerne wie Amazon die Versicherung selbst ausgeben, erscheint eher unrealistisch.
Was aber definitiv zutrifft, ist, dass Embedded Insurance die Versicherungswirtschaft revolutionieren kann – und aller Voraussicht nach auch wird. Sie bietet digitalisierten Start-ups die Möglichkeit, schnell zu wachsen und sich gemeinsam mit Partnern Marktanteile zu erschließen. Es kommt also darauf an, entsprechend flexible Strukturen zu schaffen, um erfolgreich zu sein oder erfolgreich zu bleiben.